WERBUNG

IDD-Novelle: Entwurf enthält partielles Provisionsverbot

25.5.2023 – Hatte es zuletzt noch so ausgesehen, als würde EU-Kommissarin Mairead McGuinness in Sachen Provisionsverbot etwas zurückrudern, stellt sich der Entwurf für die „Kleinanlegerstrategie“ nun doch strenger dar. Er sieht für Versicherungsanlageprodukte nicht nur – mit bestimmten Ausnahmen – ein Provisionsverbot im beratungsfreien Vertrieb vor, sondern auch eines im Vertrieb mit unabhängiger Beratung.

Gesetzesentwurf für die Kleinanlegerstrategie (Cover; Quelle: EU/EK)
Gesetzesentwurf für die
„Kleinanlegerstrategie“
(Cover; Quelle: EU/EK)

Lange erwartet – nun ist er da: Am Mittwoch hat die EU- Kommission den Entwurf für die „Kleinanlegerstrategie“, englisch „Retail Investment Strategy“, vorgelegt.

Es ist aber kein „zusätzliches“ Gesetzeswerk, vielmehr handelt es sich rechtstechnisch um zweierlei:

  • eine Änderungsrichtlinie, die mehrere bereits bestehende Richtlinien – darunter die Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) – ändern soll, und
  • eine Änderungsverordnung, mit der die Verordnung über Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte, also die „Priips-Verordnung“, novelliert werden soll.

Der Vorschlag für die Änderungsrichtlinie umfasst – in der derzeit nur englisch vorliegenden Sprachversion – 74 Seiten, wovon 31 der IDD gewidmet sind.

Knackpunkt Vergütung

Der in den letzten Monaten am heißesten diskutierte Punkt war zweifellos die Vergütung.

Nach einigem Hin und Her (VersicherungsJournal 3.5.2022, 2.9.2022, 12.1.2023) hatte es zuletzt so ausgesehen, als wäre ein „umfangreicheres“ Provisionsverbot bis auf Weiteres kein „akutes“ Thema (VersicherungsJournal 2.5.2023).

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der nun vorliegende Entwurf kein generelles Provisionsverbot vorsieht. Bei näherem Hinsehen finden sich im Zusammenhang mit Versicherungsanlageprodukten (IBIPs) allerdings in Teilbereichen sehr wohl Einschränkungen.

Beratungsfreier Vertrieb

Da wäre zunächst der gänzlich neue Artikel 29a. Er statuiert – grundsätzlich – ein Provisionsverbot in Bezug auf Produkte nach dem überarbeiteten „Artikel 30 (2) und (3)“. Kurz gesagt, ist damit der beratungsfreie Vertrieb gemeint. Oder wie es die Kommission in einer Mitteilung formuliert: „reine Verkäufe“.

Von diesem Provisionsverbot gibt es bestimmte Ausnahmen. Nach diesen wären lediglich geringfügige Zuwendungen bzw. solche, die keinen Interessenkonflikt auslösen können, nicht erfasst. Auch für die Bereitstellung der Dienstleistung „notwendige“ Zahlungen wären vom Verbot ausgenommen.

Artikel 29a Abs. 1 des Entwurfs für die IDD-Novelle

Member States shall ensure that insurance intermediaries or insurance undertakings that manufacture insurance-based investment products or distribute such products in accordance with Article 30(2) and (3) do not pay or receive any fee or commission, or provide or are provided with any non-monetary benefit with regard to the provision or distribution of an insurance based investment product, to or by any party except the customer or a person on behalf of the customer.

The prohibition contained in the first sub-paragraph shall not apply to minor non-monetary benefits of a total value below EUR 100 per annum or of a scale and nature such that those benefits do not impair compliance with the insurance intermediary’s or insurance undertaking’s duty to act in the best interests of their customer provided those benefits have been clearly disclosed to the customer.

Any payment or benefit which enables or is necessary for the provision of services, including regulatory levies or legal fees, and which by its nature cannot give rise to conflicts

with the insurance intermediary’s or insurance undertaking’s duty to act honestly, fairly and professionally in accordance with the best interests of their customers, shall not be subject to the requirements set out in the first subparagraph.

Unabhängige Beratung

Ein Provisionsverbot in den Entwurf geschrieben hat Kommissarin Mairead McGuinness aber auch für den Vertrieb von IBIPs, zu denen eine unabhängige Beratung geboten wird.

Im neuen Absatz 5b in Artikel 30 heißt es nämlich: Wenn ein Kunde darüber informiert wird, dass der Vertreiber „auf unabhängiger Basis“ berät, soll Letzterer keine Provisionen oder sonstige monetäre oder nicht-monetäre Zuwendungen von dritter Seite annehmen.

Art. 30 Abs. 5b des Entwurfs für die IDD-Novelle

Member States shall require that, where an insurance intermediary or insurance undertaking distributing insurance-based investment products informs the customer that advice is given on an independent basis, the insurance intermediary or insurance undertaking:

(a) assesses a sufficiently large number of insurance products available on the market which are sufficiently diversified with regard to their type and product providers to ensure that the customer’s objectives can be suitably met and shall not be limited to insurance products issued or provided by entities having close links with the insurance intermediary or insurance undertaking;

(b) not accept and retain fees, commissions or any monetary or non-monetary benefits paid or provided by any third party or a person acting on behalf of a third party in relation to the provision of the service to customers.

Verbot stand auch 2012 im IDD-Entwurf

„Die Geschichte scheint sich leider zu wiederholen“, sagte Christoph Berghammer, Obmann des Fachverbands der Versicherungsmakler, am Mittwoch zum VersicherungsJournal.

Denn bereits 2012 sei im Entwurf für die IDD – damals noch unter dem Arbeitstitel „IMD II“ – ein solches Provisionsverbot vorgesehen gewesen. Tatsächlich sind die Formulierungen von damals und heute einander sehr ähnlich (VersicherungsJournal 4.7.2012).

Berghammer kritisiert, McGuinness’ Äußerungen – sie hatte, zumindest bis auf Weiteres, einen Verzicht auf ein so weitgehendes Provisionsverbot angedeutet – seien „offenbar ein bloßes Lippenbekenntnis“ gewesen.

Die Beratung durch Versicherungsmakler sei schließlich in diversen europäischen Ländern per Definition „unabhängig“, sodass diese vom Provisionsverbot, wie es in Artikel 30 des Entwurfs formuliert ist, betroffen wären.

„Offenbar bewusst in Kauf genommen“

Christoph Berghammer (Bild: Berghammer)
Fachverbandsobmann
Christoph Berghammer
(Bild: Berghammer)

Bereits vor einigen Tagen kursierte eine nicht offizielle, „geleakte“ Version des Entwurfs, in der sich die Passage mit dem Provisionsverbot fand.

Infolgedessen habe der Fachverband ebenso wie der EU-Vermittlerverband Bipar die Kommission darauf aufmerksam gemacht, dass dies einem partiellen Provisionsverbot gleichkäme, betont Berghammer gegenüber dem VersicherungsJournal.

Da aber nun auch der offizielle Entwurf diese Passage enthalte, habe die Kommission „offenbar bewusst in Kauf genommen, einem Teil der europäischen Versicherungsvermittler die primäre Vergütungsform zu verbieten“.

Berghammer sieht Wettbewerbsverzerrung

Die IDD habe seit jeher unter anderem die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für sämtliche Marktteilnehmer bezweckt, so Berghammer weiter.

„Dieser Wettbewerb würde durch die vorgeschlagene Regelung ungleich und zu Lasten der Makler bewusst verzerrt werden. Versicherungsmakler würden dadurch schlichtweg von einem Teil des Marktes ausgeschlossen werden.“

Im Übrigen verweist Berghammer auf ein 2022 vorgestelltes Gutachten, wonach ein Provisionsverbot Grundfreiheiten des EU-Binnenmarktes zuwiderliefe und allenfalls EU-rechtswidrig wäre (VersicherungsJournal 1.7.2022).

Dolzer: Provisionsverbot wird Ziel der Strategie nicht gerecht

Hannes Dolzer, Obmann des FV Finanzdienstleister (Bild: Provideas)
Hannes Dolzer, Obmann
des FV Finanzdienstleister
(Bild: Provideas)

Kritisch äußerte sich auch der Obmann des Fachverbandes des Finanzdienstleister, Hannes Dolzer.

„Aus unserer Sicht ist weiterhin ein Provisionsverbot kein Vorschlag, welcher dem eigentlichen Ziel der Retail Investment Strategy – verbesserter Zugang von Kleinanlegern zum Kapitalmarkt – gerecht wird.“

In Ländern, in denen ein Provisionsverbot eingeführt wurde, sei „eine Beratungslücke evident“, so Dolzer.

Auftakt für Gesetzgebungsverfahren

Zum Gesetzgebungsverfahren ist zu sagen, dass der Entwurf erst den Auftakt bildet. Beschlossen werden muss das Gesetzespaket vom Europäischen Parlament und vom (Minister-)Rat der EU.

Zuletzt war davon die Rede, dass sich im Ministerrat eine Mehrheit der Länder gegen ein Provisionsverbot positioniere (VersicherungsJournal 24.4.2023). Damit sei auch eine „Chance“ gegeben, „dass die Würfel neu fallen“, so Berghammer.

Als Ziel für die Standesvertretung gibt Berghammer aus, „dass für die Versicherungsmakler die Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten weiterhin als zu verprovisionierende Tätigkeit erhalten bleibt und dass damit die Versicherungsmakler nicht von diesem Teil des Marktes ausgeschlossen werden“.

Finanzdiesntleister kündigen Stellungnahme an

Ähnlich Dolzer: „Wir werden die Vorschläge der Europäischen Kommission nun im Detail prüfen und eine umfassende Stellungnahme erarbeiten, die sich klar gegen jede Art von Provisionsverbot richten wird.“

In weiterer Folge, so Dolzer, „werden wir natürlich auch wieder vor Ort in Brüssel in persönlichen Gesprächen unseren Standpunkt gegenüber den europäischen Institutionen erläutern.“

Weiterführende Information

Die Entwürfe sind auf der Website der EU-Kommission abrufbar.

 
WERBUNG
Ihr Wissen und Ihre Meinung sind gefragt

Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.

Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu! Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.at.

Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.at.

Täglich bestens informiert!

Der VersicherungsJournal Newsletter informiert Sie von montags - freitags über alle wichtigen Themen der Branche.

Ihre Vorteile

  • Alle Artikel stammen aus unserer unabhängigen Redaktion
  • Die neuesten Stellenangebote
  • Interessante Leserbriefe

Jetzt kostenlos anmelden!

VersicherungsJournal in Social Media

Besuchen Sie das VersicherungsJournal auch in den sozialen Medien:

  • Facebook – Ausgewähltes für den Vertrieb
  • Twitter – alle Nachrichten von VersicherungsJournal.at
  • Xing News – Ausgewähltes zu Karriere und Unternehmen
Diese Artikel könnten Sie noch interessieren
10.3.2021 – Die Interessenvertretung hat ihren Jahres- und Tätigkeitsbericht für das vergangene Jahr veröffentlicht. (Bild: Fachverband Versicherungsmakler) mehr ...
 
26.6.2017 – Der Vermittlerverband Bipar hat einen neuen Vorstand gewählt, eine Spitzenposition besetzt Österreich. Bei dem Treffen waren auch die jüngsten Entwicklungen zur IDD-Umsetzung auf EU-Ebene und in Deutschland Thema. Bei den Nachbarn könnte es nun „in letzter Minute“ noch zu Änderungen zu Gunsten der Makler kommen. (Bild: FV Versicherungsmakler) mehr ...