28.6.2024 – Die drei vorliegenden Entwürfe zum geplanten Provisionsverbot bei unabhängiger IBIP-Beratung unterscheiden sich in ihrer Formulierung. In der Sache gehen sie aber nach Ansicht der Juristen Stefan Perner und Andreas Riedler alle in dieselbe Richtung: Sie beabsichtigen kein „Provisionszufluss-“, wohl aber ein „Provisionsbehalteverbot“. Um Maklern das Provisionssystem zu erhalten, könnte an verschiedenen Punkten angesetzt werden – und auch die Definition des Versicherungsmaklers adaptiert werden.
„Den Versicherungsvertrieb neu denken“ – das haben sich der Fachverband der Versicherungsmakler und die Gesellschaft für Versicherungsfachwissen (GVFW) für das diesjährige „Internationale Symposion für Versicherungsmakler und Führungskräfte von Versicherungsunternehmen“ in Velden vorgenommen.
In ein Programm, das sich mit dem Versicherungsvertrieb befasst, gehört dieser Tage wie das Amen im Gebet auch das Thema „Kleinanlegerstrategie“ – im Speziellen die angepeilten Änderungen zu Provisionsverboten in der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD).
Wir erinnern uns: Die EU-Kommission hatte im Mai 2023 (VersicherungsJournal 25.5.2023) ihren Entwurf vorgestellt. Das EU-Parlament legte im April 2024 (VersicherungsJournal 24.4.2024) seinen Standpunkt fest, der Rat vor kurzem im Juni (VersicherungsJournal 14.6.2024).
Was das von der Kommission angedachte Verbot bei unabhängiger respektive ungebundener Beratung bei Versicherungsanlageprodukten (IBIP) betrifft, lesen sich alle drei Varianten etwas unterschiedlich – eine Zusammenstellung finden Sie im oben verlinkten Artikel vom 14. Juni.
Nun lassen sich auf dieser Basis drei Fragenkomplexe erörtern, wie Univ.-Prof. Andreas Riedler von der Johannes-Kepler-Universität Linz in seinem Vortrag am Donnerstag ausführte, nämlich zwei europarechtliche und einen nationalen:
Zur ersten Frage gibt es bereits zwei vom Fachverband in Auftrag gegebene Gutachten. Diese waren zu dem Schluss gelangt: Ein Provisionsverbot dürfte unter anderem gegen die grenzüberschreitende Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit und das EU-rechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verstoßen (VersicherungsJournal 1.7.2022, 15.9.2023).
Aber, betonte Riedler, selbst, falls dem tatsächlich so sein sollte: Wenn ein Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen wird, gilt das neue Recht erst einmal. Es könnte erst im Nachhinein angefochten werden, in diesem Fall beim EuGH.
Weiter im Text: Was bedeuten nun eigentlich die unterschiedlichen Entwürfe von Kommission, Parlament und Rat in puncto Provisionsverbot konkret?
Riedler ging zunächst auf eine gewisse Begriffsverwirrung in der deutschen Fassung des Kommissionsentwurfs ein. Diese spricht ja sowohl von „ungebundener“ als auch „unabhängiger“ Beratung. Diese Unterscheidung gebe es aber in anderen Sprachfassungen nicht, sagte Riedler.
Nach überwiegender Ansicht, so Riedler, dürfte es sich deshalb um einen Übersetzungsfehler handeln, der „korrigierend zu interpretieren“ wäre. Sprich: „Unabhängig“ müsste es heißen, und das entspräche auch der „rechtlichen Intention des Entwurfs“.
Die zuletzt vom Rat vorgelegte Fassung spricht von Beratung auf „unabhängiger“ Basis. Sie geht in der Folge aber auch auf eine Konstellation ein, in der man sich als nicht vertraglich an einen bestimmten Versicherer gebunden deklarieren kann – also als ungebunden.
Wem all das zu viel der Komplexität ist, dem bot Riedler eine Interpretation an, was all das nach seiner Ansicht und nach der von Univ.-Prof. Stefan Perner von der Wirtschaftsuniversität Wien zu bedeuten hat – „die einzig richtige“ Interpretation, wie Riedler mit einem Schmunzeln meinte.
Diese lautet: Die Unterschiede zwischen den drei Varianten sind in erster Linie semantischer Natur, in der Sache selbst liegen sie recht nahe beieinander.
Fazit: Alle drei Varianten liefen bei Beratung auf Provisionsbasis zwar nicht auf ein „Provisionszuflussverbot“ hinaus, aber auf ein „Provisionsbehalteverbot“.
Die Auslegung von Riedler und Perner tritt somit neben andere Interpretationen, die, aus Perspektive der Maklerschaft bereits optimistischer waren, die aber alle noch unter dem Vorbehalt stehen, dass die IDD-Novelle noch nicht ihren letzten Schliff bekommen hat.
Nachdem der Rat seinen Standpunkt verabschiedet hat, muss, wie berichtet, nun im „Trilog“ eine Einigung der drei EU-Organe auf den endgültigen Text herbeigeführt werden. Das könnte noch heuer der Fall sein.
Wie könnte in Österreich auf eine Lage reagiert werden, wie sie von Riedler und Perner dargelegt wird? Perner warf zunächst die Frage auf, wie die europarechtliche Trias „gebunden – ungebunden – unabhängig“ sozusagen ins österreichische Recht zu übersetzen wäre.
Er stellte zunächst fest, „Unabhängigkeit“ sei in den §§ 136 ff. GewO und in den Standesregeln der Versicherungsmakler keine Kategorie. Auch das Maklergesetz verwende den Terminus „Unabhängigkeit“ nicht. Es ließe sich der Standpunkt vertreten: Unabhängigkeit wird beim Makler nicht vorausgesetzt.
Sollte dennoch eine „Korrektur des Selbstbildes“ des Versicherungsmaklers überlegt werden? Immerhin werde der Begriff Unabhängigkeit ja mit der Maklerschaft verbunden.
Wie Perner meint, könnte dem Begriff „Unabhängigkeit“, wie er bisher in Österreich benutzt wurde, ein eigenes Verständnis beigemessen werden – in dem Sinn, dass er eigentlich als Abgrenzung zum (Einfach-)Agenten und zum angestellten Außendienst gemeint ist.
Perner führte in dem Zusammenhang unter anderem auch den Aspekt einer fehlenden „wirtschaftlichen Unabhängigkeit“ im Fall einer Vergütung per Provision an.
Man könnte außerdem darüber nachdenken, ob das Maklergesetz mit seinen strikten Anforderungen an „Best Advice“ samt der geforderten Marktkenntnis nicht gewissermaßen überholt ist.
Als eine Option nannte Perner, die Definition des Versicherungsmaklers zu ändern und in den Standesregeln zu verankern, und zwar angelehnt etwa an die Kreditvermittlung.
In § 136e Abs. 4 GewO heißt es: „Ein ungebundener Kreditvermittler darf sich im Geschäftsverkehr als ‚unabhängiger Kreditmakler‘ bezeichnen, wenn er keinerlei Vergütung von einem oder mehreren Kreditgebern erhält oder die Zahl der vom ungebundenen Kreditvermittler einbezogenen Kreditgeber auf dem Markt eine Mehrheit darstellt.“
Letztlich wären, nach europarechtlichem Begriffsverständnis, in Österreich drei Vermittlerkategorien denkbar: der Einfachagent als „gebundener“ Vermittler sowie der Versicherungsmakler, der entweder „ungebunden“ oder – auf Honorarbasis – „unabhängig“ auftritt.
Innerhalb der Gruppe der Ungebundenen würde sich dann allerdings verschärft die Frage der Abgrenzung zwischen dem „jetzigen“ Versicherungsmakler und dem Mehrfachagenten stellen. Der Berater in Versicherungsangelegenheiten wiederum ginge im unabhängigen Makler auf.
Anna-Maria Taudes - Klare Abgrenzung nötig. mehr ...
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