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Ex-Minister Schelling: Über neue Vorsorgemodelle nachdenken

22.5.2025 – Hans Jörg Schelling hält es für „entscheidend“, Anreize für die Altersvorsorge zu setzen. Er würde es auch begrüßen, wenn über „neue Modelle“ für die Vorsorge nachgedacht wird. Notwendig sei eine Stärkung der Eigenverantwortung für die Gesundheit, ebenso wie des Bewusstseins dafür, was die Versicherung eigentlich leistet.

Hans Jörg Schelling (Bild: Ben Leitner)
Praevenire-Präsident Hans Jörg Schelling (Bild: Ben Leitner)

Der frühere Finanzminister Hans Jörg Schelling ist Präsident von Praevenire, einer Plattform mit Stakeholdern aus dem Gesundheitssektor sowie Politik und Wirtschaft zur Förderung des österreichischen Gesundheitssystems.

VersicherungsJournal: Versicherungsunternehmen positionieren sich immer mehr als „Gesundheits-Dienstleister“ – mit Aufklärungs- und Präventionsangeboten, speziellen Versicherungsprodukten. Ist die Versicherungswirtschaft in Praevenire eingebunden? Und was wäre noch wünschenswert?

Hans Jörg Schelling: Sowohl die gesetzliche wie auch die private Versicherung leisten großartige Versorgung.

Die privaten Versicherungen sind ein wesentlicher Hebel, denn sie sind schon viel weiter als die gesetzlichen Versicherungen, indem sie Produkte anbieten, die tatsächlich aktiv dazu beitragen, dass Vorsorge und auch Erholung betrieben werden.

Die privaten Versicherungen haben bereits diesen Prozess erkannt, dass jeder einzelne Versicherte Teil seiner Gesundheit ist und dazu mit Eigenverantwortung auch beiträgt. Um diese Eigenverantwortung auszuloten, sind die Versicherungsprodukte gut geeignet, Anstöße zu geben, um sich selbst mit Gesundheit und Vorsorge zu beschäftigen.

Wir sind stolz darauf, dass auch die Versicherungen bei Praevenire mitwirken, ihre Ideen einbringen, denn je mehr Expertinnen und Experten sich Gedanken machen über die Zukunft des Gesundheitssystems, umso lieber ist uns das.

Und natürlich würden wir uns freuen, wenn die Versicherungswirtschaft sich noch intensiver einbringen würde in unsere Veranstaltungen, wie die Gesundheitstage, den Denkertag und Digital Health Day.

Wertvoller Schatz

VersicherungsJournal: Nutzer von privaten Unfall-, Kranken-, Pflege- und Berufsunfähigkeitsversicherungen müssen viele Daten angeben. Versicherungsunternehmen sitzen daher auf einem Riesen-„Schatz“ an Gesundheitszustands- und Biometrie-Daten. Wie kann man das, im Sinne der gewünschten sektorübergreifenden Zusammenarbeit, nutzen?

Schelling: Gesundheitsdaten sind ein wirklich wertvoller Schatz. Es wird darum gehen, dass man eben anonymisiert und pseudonymisiert diese Daten sowohl der Forschung als auch der Planung zur Verfügung stellt.

Die Daten, die über Gesundheit vorhanden sind, sind natürlich sehr sensibel, aber Verläufe zum Beispiel von Krankheiten oder von Krankenständen oder von besonderen Reha-Leistungen – die ja bereits erfolgt sind, mit dem notwendigen Know-how; wie geht man nach der Behandlung weiter vor? – sind wertvolle Daten, die allen zur Verfügung stehen sollten.

Wir glauben, dass zum Beispiel durch die Digitalisierung und KI diese Daten auch optimal zum Nutzen der Versicherten genutzt werden können.

Anreize

VersicherungsJournal: Die Pensionslücke und Altersarmut lassen kaum finanziellen Spielraum für teure Behandlungen im Alter. Schon in Ihrer Zeit als Finanzminister gab es den Wunsch nach Ausbau einer „dritten Säule“ der finanziellen Altersvorsorge. Die ist trotzdem bis heute nicht verbreitet. Mit welchen Anreizen könnte man sie attraktiv machen? Steuerlich? Mit Prämien?

Schelling: Man muss die Themen auseinanderhalten, weil verschiedene Problemkreise aufeinanderstoßen.

Das eine ist der Bereich Pflege, wo man durchaus mit einer – vielleicht so wie in Deutschland – gekoppelten Versicherung mit der Krankenversicherung Pflegevorsorge betreiben kann; wenn man das sehr früh beginnt, sind auch die Versicherungsbeträge extrem klein. Man kann hier sicher neue Wege beschreiten.

In Bezug auf die Pensionsversicherung, die eine private Zusatzversicherung ist, ist es sicher von entscheidender Bedeutung, Anreize zu setzen. Und diese können natürlich steuerlicher Natur sein, vielleicht müssen sie sogar steuerlicher Natur sein. Es kann aber auch direkte Förderungen geben.

Allerdings muss man immer berücksichtigen, dass wir ein solidarisches Pensionssystem haben – und das soll auch weiterhin für alle bestehen. Wenn jemand zusätzliche Leistungen machen will, wäre es wünschenswert, wenn man neue Modelle entwickelt und auch vom Staat unterstützt: Ob als steuerliche Ansparbegünstigung oder als steuerliche Sonderregelung, wenn das Angesparte ausgeschüttet wird.

Entscheidend ist ja auch am Schluss: Wenn ich angesparte Gelder habe, zu welchen Bedingungen bekomme ich die wieder heraus? Wenn die wieder voll zu versteuern sind, wird es wahrscheinlich kein besonderer Anreiz sein.

VersicherungsJournal: Krankenkassen-Chef Peter Lehner sprach die Leistungsgrenzen an und beklagte mangelnde Eigenverantwortung der Gesellschaft. Nun wurden die Krankenversicherungsbeiträge der Pensionisten erhöht. Wäre es nicht transparenter, eine Pflicht zu einer privaten Vorsorgeversicherung wie in der Schweiz zu diskutieren? Versicherungspflicht mit Angebotsauswahl statt Pflichtversicherung?

Schelling: Praevenire ist nicht der Schiedsrichter in den Fragen, was richtig oder nicht richtig ist. Aber neue Modelle anzudenken, ist auf jeden Fall sinnvoll. Denn es muss gelingen, für alle – egal, ob privat zusatzversichert oder nicht – die Eigenverantwortung für die Gesundheit zu stärken.

Und es muss gelingen, dass wir, nachdem wir die Reparaturmedizin eingesetzt haben, ein Bewusstsein bei den Menschen schaffen, dass sie sich Vorsorge leisten, dass sie sich gesund ernähren, Bewegung machen und ähnliches, sodass die Leistung, die schon bezahlt wurde, nicht wieder „verschüttet“ wird.

Wenn man darüber nachdenkt, dass man andere Modelle entwickelt, muss man auch dazusagen: Die Erfahrungen mit solchen Modellen sind sehr, sehr unterschiedlich. Wenn man zum Beispiel Deutschland anschaut, wo es für die Versicherungen eine Wahlfreiheit ab 5.000 Euro gibt, dann ist nicht alles Gold, was glänzt.

Unsere Aufgabe ist: nachdenken und vordenken, auch mit Produkten der Versicherungswirtschaft.

Leistungen und Nutzen

VersicherungsJournal: Die Österreicher unterschätzen die Kosten des Krankseins und Gesundwerdens – und überschätzen die finanziellen Leistungen aus der staatlichen Unfall- und Krankenversicherung. Wie muss man das Vorsorgebewusstsein der Bevölkerung effektiv steigern? Was können Versicherungsberater, die ihre Kunden oft lange kennen, beitragen?

Schelling: Zum einen glaube ich, muss man schon auch in der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung den Menschen sagen, welche Leistungen erbracht wurden und was die gekostet haben.

Wir wissen ja nicht einmal bei einfachen Dingen, wie in der Apotheke, welche Leistungen wir – durch Selbstbehalt und Rezeptgebühr – hier bekommen: Man zahlt knapp 8 Euro Rezeptgebühr und bekommt vielleicht ein Medikament für 100 Euro. Es wäre gut, wenn die Menschen das wissen, weil die Wertschätzung für das, was geleistet wird, besser wird.

Dasselbe gilt natürlich auch im Falle eines Unfalls und sonstiger Behandlungen; dass die Menschen wissen: Das übernimmt solidarisch die Gesellschaft, man hat aber trotzdem diese Kosten verursacht. Hier gehört sicher mehr Transparenz hinein.

Notwendig ist auch, egal, ob gesetzliche oder private Krankenversicherungen, nicht nur die Kosten immer vorzustellen, sondern auch den Nutzen zu kommunizieren: Dieser Nutzen besteht in Heilung. Und die Heilung kostet Geld, egal, wie.

Und es wäre gut, wenn die Menschen auch wissen, was aus dem, was sie solidarisch einbezahlt haben, tatsächlich an Leistungen wieder herauskommt.

Wir haben einmal eine Studie gemacht, ob die Menschen lieber Steuern zahlen oder Beiträge bezahlen. A priori würde man sagen, beides nicht, zumindest nicht in der Höhe, wie es in Österreich üblich ist. Aber fest steht, dass am Ende herausgekommen ist: Die Menschen bezahlen lieber Beiträge für Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung, weil sie daraus ganz bestimmte Gegenleistungen beziehen und damit die Wertigkeit erkennen können.

Bei Steuern ist das alles anonymisiert. Ob damit ein Tunnel gebaut wird oder ob damit irgendwas renoviert wird oder ähnliches, das ist nicht mehr beeinflussbar. Im Beitragsfall sagen die Menschen: Ich habe einbezahlt und bekomme dafür eine Leistung und das ist gut. Dieses Bewusstsein muss man noch verdichten und verstärken.

Das Interview führte

 
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