Ein Blick in den europäischen Versicherungsfahrplan

14.10.2025 – Die Fertigstellung der Kleinanlegerstrategie (RIS) könnte sich ins nächste Jahr ziehen, die Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) dürfte wohl nicht vor 2027 auf den Tisch kommen. Es gibt aber ohnehin noch viel anderes zu tun. Susanne Hofer (VVO) gab beim Versicherungsrechtstag einen Überblick und fand dabei auch kritische Worte.

„Simplification“, Vereinfachung: Das ist eine der Maximen, die die EU-Kommission Anfang des Jahres ausgegeben hat (VersicherungsJournal 30.1.2025). Susanne Hofer, im Versicherungsverband (VVO) mit europäischen Angelegenheiten befasst, begegnet dem mit Zurückhaltung.

Man bewege sich hier „zwischen Hoffnungsbegriff und Unwort“, meinte sie am Montag beim diesjährigen Versicherungsrechtstag des Instituts für Zivil- und Zivilverfahrensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und der Gesellschaft für Versicherungsfachwissen (GVFW) in Wien.

Je nachdem, mit wem man spreche, unterscheide sich die Auffassung davon, was damit konkret gemeint ist: „nur“ Vereinfachung oder Deregulierung im Sinne von „Rückbau“? Aus der Aufsicht seien Signale zu hören, die in die Richtung gehe: Deregulierung ist nicht nötig, mit Anpassungen kann man aber leben.

RIS dürfte sich wohl ins Jahr 2026 ziehen

Der europäische Versicherer-Dachverband Insurance Europe habe eine Reihe von Vorschlägen zur Simplifizierung eingebracht. Sie beziehen sich auf verschiedenste Bereiche wie zum Beispiel die Kleinanlegerstrategie (RIS), Nachhaltigkeit, Solvency II oder Digitalisierung.

Was die RIS betrifft, habe der dänische Ratsvorsitz die Ambition, das Dossier abzuschließen. Der Trilog zwischen Kommission, Parlament und Rat – am Dienstag in einer Woche wird über „Value for Money“, Anreize und Customer Journey verhandelt – gestalte sich allerdings „hart und schwierig“.

Deshalb sei es wahrscheinlich, dass Zypern die RIS-Verhandlungen erbt und sie unter seinem Vorsitz im ersten Halbjahr 2026 weiterführt. „Ein, zwei Trilog-Runden“ werde man vermutlich noch brauchen, meint Hofer.

„Beibehaltung von Produkt- und Vertriebsvielfalt“

Dieses Jahr hat die EU-Kommission das Projekt „Spar- und Investitionsunion“ (SIU) gestartet (VersicherungsJournal 20.3.2025). Hier gehe der Zug stark in Richtung „horizontaler“, also nicht branchenspezifischer, Gesetzgebung.

Erst vor kurzem hat die Kommission in diesem Rahmen eine Empfehlung zu Spar- und Anlagekonten (VersicherungsJournal 2.10.2025) und eine Finanzbildungsstrategie vorgestellt.

Für das vierte Quartal sei unter anderem noch ein Entwurf für die Neuregelung des Paneuropäischen Privaten Pensionsprodukts („Pepp“) zu erwarten. Hier gelte es, aus den bisherigen Erfahrungen zu lernen. Auf der derzeitigen Grundlage seien in der EU gerade einmal zwei Unternehmen als Pepp-Anbieter tätig geworden.

Grundsätzlich betonte Hofer im Zusammenhang mit der SIU, „Produkt- und Vertriebsvielfalt“ müssten beibehalten werden. Ein einheitliches europäisches „Spar- und Investmentprodukt“ solle es nicht geben.

IDD wohl nicht vor 2027 im Fokus

Was wurde eigentlich aus der Überprüfung der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD)? An sich steht sie schon lange auf der Agenda. Insbesondere angesichts der Kleinanlegerstrategie, die „dazwischenkam“, steht sie nun aber schon geraume Zeit auf der „Warteliste“.

Offizielles gebe es zum Fahrplan nicht. Nach aktuellem Stand dürfte die IDD aber nicht vor 2027 wieder aufs Tapet kommen – also erst, nachdem die Kleinanlegerstrategie unter Dach und Fach ist.

Es stelle sich dann auch noch die Frage, was nach Verabschiedung der RIS überhaupt als „Restmenge“ für eine allfällige IDD-Novelle übrigbleibt.

Kritik an Benchmarks

Zu möglichen Themen könnten etwa „Value for Money“ im Sachbereich oder das Kapitel Lenkungs- und Aufsichtsanforderungen (Product Oversight and Governance, POG) werden.

Dabei zeigt sich die Versicherungswirtschaft schon jetzt im Zusammenhang mit Versicherungsanlageprodukten skeptisch gegenüber quantitativen „Benchmarks“ – diese sollen als Orientierung dienen, wann ein Produkt keinen Value for Money mehr liefert.

Denn, so Hofer, dadurch könnten indirekt Kostengrenzen geschaffen und Preiskontrolle eingeführt werden. Dies würde Wettbewerb und Innovation hemmen, lautet das Argument. Im Übrigen dürfe man den Nutzen eines Produkts nicht ausschließlich an den Kosten festmachen.

Mystery Shopping und eine „bemerkenswerte“ Feststellung

Hofer erinnerte weiters an ein Mystery Shopping zum Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten.

Im Gefolge dessen habe die europäische Versicherungsaufsicht (Eiopa) festgestellt, dass der Beratungsprozess langwierig und aufwendig sein könne und es Vereinfachungsmöglichkeiten gebe (VersicherungsJournal 9.4.2025).

Aus Hofers Sicht ist das eine „bemerkenswerte“ Feststellung – man werde denn auch darauf pochen, dass diese Vereinfachungen umgesetzt werden.

Breite Palette weiterer Themen

Hofer listete noch eine Reihe weiterer gesetzgeberischer Projekte auf.

Darunter findet sich etwa ein Vorschlag der Kommission für eine „Green Claims“-Richtlinie, die Anforderungen an die Kommunikation von Umweltangaben zum Inhalt hat. Im Juni sei dieser Vorschlag zwar noch davorgestanden, zurückgezogen zu werden, nun sei er aber doch wieder aufgegriffen worden.

Andere Tätigkeitsfelder sind beispielsweise die Umsetzung der Solvency-II-Novelle und der Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (VersicherungsJournal 24.9.2025) oder – im Bereich der Digitalisierung – der Financial Data Access Act, der Datenzugangsrechte regeln und neue datengesteuerte Geschäftsmodelle ermöglichen soll.

Mit einem Wort: Der Strauß an Themen mit Versicherungsbezug, die auf europäischer Ebene behandelt werden, war bunt, ist bunt und bleibt es weiterhin.

 
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