31.1.2025 – Künstliche Intelligenz bietet große Chancen, in Europa dominieren aber Technologiefeindlichkeit und Angst, so eine der Kernaussagen des Abends. Niemand weiß derzeit, wo wir in einigen Jahren stehen werden – für diese Reise biete der EU AI Act den Rahmen, so ein weiterer Experte. Und schließlich: Man muss immer dran bleiben, aktuelles Wissen ist schon nach ein paar Wochen veraltet.
Umfangreiche Informationen zum Thema Künstliche Intelligenz (KI), zum EU AI Act und zu deren Auswirkungen auf die Versicherungsbranche versprach ein von der Together CCA GmbH organisierter Vortragsabend unter dem Motto „Die Uhr tickt“ am vergangenen Mittwoch.
Mit Auswirkungen der KI auf die österreichische Wirtschaft und den Standort beschäftigte sich einleitend Markus Schaffhauser, CEO von Eviden Austria GmbH, eines auf die digitale Transformation spezialisierten europäischen Technologiekonzerns.
KI sei kein neues Thema, bringe aber sowohl neue Herausforderungen als auch neue Chancen mit sich, so Schaffhauser. Vor allem bei den Kompetenzen der Österreicher gebe es viel Aufholbedarf, wir sollten uns klar sein, dass KI künftig Teil unseres Lebens sein werde.
Während Innovationen derzeit aus den USA und China kommen, erlasse Europa Regeln, bevor es überhaupt noch ein Spiel gibt. Schaffhauser sieht die Gründe dafür in Technologiefeindlichkeit und Angst. Tatsächlich sei KI aber angesichts von Demografie und Fachkräftemangel eine große Chance.
Für Gerald Bader, Head of AI & Analytics bei Eviden, revolutioniert KI nicht nur die Datennutzung, sondern definiert die gesamte Versicherungslandschaft neu. Und der EU AI Act, der mit 2. Februar in Kraft tritt, fördere eine menschenzentrierte, faire und transparente Entwicklung der KI.
Der EU AI Act sei nämlich mehr als eine Regulierung. Er sei Startschuss für eine neue Ära intelligenter, ethischer und kundenorientierter Versicherungslösungen. Ethik sei insofern relevant, als technologisch entworfene Systeme potenziell viele Menschen beeinflussen können.
Ethische Grundpfeiler des EU AI Acts seien der Schutz der Grundrechte und der Menschenwürde, die verpflichtende Transparenz und Rechenschaftspflicht, die menschliche Aufsicht sowie Datenschutz und Privatsphäre, so Bader.
Für die Unternehmen bedeute das unter anderem, dass KI-Entscheidungen transparent und erklärbar sein müssen, dass es eine klare Zuweisung von Verantwortung bei Entwicklung und Nutzung der KI geben muss, Diskriminierung vermieden wird und menschliche Kontrolle gewährleistet bleiben muss.
Einsatzmöglichkeiten der KI in der Versicherungsbranche sieht Bader in der Steigerung der Effizienz, einer verbesserten Kundenexperience, der Reduktion von Kosten, bei Data Insight, der Betrugserkennung und Prävention sowie einer präziseren Risikoeinschätzung.
Niemand könne aber derzeit prognostizieren, „wo wir in einem, in drei oder fünf Jahren stehen“, so Bader. Für diese Reise gebe der EU AI Act den Rahmen vor, denn: „AI is not waiting“.
Mit der Möglichkeit des Einsatzes künstlicher „Agenten“ beschäftigte sich anschließend Dominic von Proeck, Co-Founder der Bildungsplattform „Leaders of AI“. Diese digitalen Mitarbeiter können heute bereits Aufgaben im Internet erfüllen, bis hin zur Bedienung des Browsers und dem Abschluss von Verträgen.
Unterstützung können solche Agenten beispielsweise bei der Vorbereitung eines „perfekten Kundengesprächs“ oder beim Zugriff auf das Knowhow des Unternehmens bieten, wobei sie menschlichen Mitarbeitern zeitsparend Informationen zur Verfügung stellen.
Einsatzmöglichkeiten sieht von Proeck in den Bereichen Produkt, Operations, Customer Support, Sales und Marketing. Und er appelliert: „Wir müssen Führungskräfte der KI werden.“
Einen Überblick über die vielfältigen Rechtszusammenhänge gab Rechtsanwalt Christian Kuß. So sei KI beispielsweise auch Thema des Urheberrechts, des Datenschutzrechts und der Compliance, der Produkthaftung, des gewerblichen Rechtsschutzes, des allgemeinen Zivilrechts und des Arbeitsrechts.
Zielsetzung des EU AI Acts seien Innovationsförderung und der Schutz vor den Folgen der Künstlichen Intelligenz. Dabei gehe die EU von einer weiten Definition von KI-Systemen aus, Pflichten werden in einem risikobasierten Ansatz je nach Klassifizierung des jeweiligen KI-Systems definiert.
Die KI-Governance müsse die Risikoprofile der KI, den Abgleich bestehender Compliance-Systeme, Richtlinien und Policies, die Einbindung interner und externer Stakeholder, rechtliches Monitoring und rechtliche Steuerung der KI sowie Training für die Mitarbeiter umfassen, betont Kuß.
Oliver Hüfner, beim Unternehmensberater Capco für KI verantwortlich, zog anhand konkreter Anwendungsfälle ein Resümee über „zwei Jahre generative KI“ samt Auswirkungen auf Unternehmenskultur und Arbeitsweise aus Versicherungssicht.
Er empfiehlt: „Holen sie die Leute dort ab, wo sie sind – bei den konkreten Anwendungsfällen.“ Und obwohl seit Jahren über „agiles Arbeiten“ geredet werde, müsse das Zusammenspiel von IT und Fachabteilungen in den Versicherungen viel schneller werden.
In ihrem Vortrag stellte Julia Pleyer, bei Together CCA unter anderem für Innovation zuständig, dann noch den unternehmenseigenen KI-Chatbot „KIRA“ vor, der als virtueller Assistent für Versicherungsvermittler und Kundenservice-Teams entwickelt wurde. Das „Going Live“ ist im Februar geplant.
Gerhard Schuster, Together-CCA-CEO, betonte abschließend die große Dynamik dieses gesamten Themenkomplexes. Man müsse „immer dran bleiben“, denn das Wissen, über das man aktuell verfügt, sei bereits nach ein paar Wochen veraltet.
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