„Der Klimawandel bekommt ein Preisschild“

27.3.2025 – Eine Versicherungslösung müsste versicherungstechnisch sauber sein, dies scheine aber mit den Vorstellungen der Politik nicht immer kompatibel zu sein, so VVO-Generalsekretär Christian Eltner. Rückversicherungs-Kapazitäten dürften vorhanden sein, aber auch der Staat müsse im Sinne einer Public Private Partnership seinen Teil zur Problemlösung beitragen. Und schließlich gebe es auch beim Mindset hierzulande Nachholbedarf.

Diskussionsteilnehmer zum Thema Naturkatastrophen (Bild: Thomas Magyar/Business Circle)
Über das riskante Geschäft mit Naturkatastrophen diskutierten Rupert Pichler (Hogo Rückversicherungsmakler), Alexander Küsel (GDV), Moderatorin Maria Althuber-Griesmayr (VVO), Reinhard Kern (Hagelversicherung) und Christian Eltner (VVO) (Bild: Thomas Magyar/Business Circle).

Noch im September habe man in Österreich ganz konkret über eine „sanfte Pflichtversicherung“ gegen Naturkatastrophenschäden gesprochen, inzwischen sei dies aber wieder von der Agenda verschwunden. Doch „die nächste Naturkatastrophe wird kommen“.

Das sagte Peter Loisel, Country Head Austria der Finlex GmbH und fachlicher Leiter des Insurance Forums Austria 2025 der Business Circle Management FortbildungsGmbH, zu Beginn einer Podiumsdiskussion über „das riskante Geschäft mit Naturkatastrophen“.

Moderatorin Maria Althuber-Griesmayr, Rechtsanwältin und Leiterin Recht & Internationales im Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs (VVO), betonte einleitend, dass eine breitere Sicht auf die Versicherbarkeit von Naturkatastrophen wichtig ist.

„Hochwasserdemenz“

„Worüber wir reden, sind die massiv zunehmenden Schäden in den letzten Jahren“, sagt Christian Eltner, Generalsekretär des VVO. Hatte das „Jahrhunderthochwasser“ 2002 noch Schäden in Höhe von 400 Millionen Euro verursacht, so gab es im Vorjahr versicherte Schäden von 1,6 Milliarden.

Hier sei ein klarer Trend erkennbar, mittelfristig würden die Schäden nicht weniger werden. „Da manifestiert sich der Klimawandel und bekommt ein Preisschild“, so Eltner. Es sei das Spielfeld, auf dem die Versicherungswirtschaft sich bewegen muss.

Bereits seit 30 Jahren würde das Thema Klimafolgen die Versicherungswirtschaft auch in Deutschland beschäftigen, betont Alexander Küsel, Leiter Versicherungstechnik im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.

Die öffentliche Debatte halte aber dem Trend durch die Klimaveränderungen nicht stand. Nach Unwetterkatastrophen sei man auch in Deutschland wieder „schnell raus aus dem Thema“ – Küsel bezeichnet dies plakativ als „Hochwasserdemenz“.

Versicherbarkeit gegeben

„Wir führen keine Diskussion über Versicherbarkeit“, bekräftigte Rupert Pichler, Client Manager bei Hogo Rückversicherungsmakler und -beratung GmbH & Co. KG, auch wenn das Thema Versicherbarkeit die Rückversicherer bewege.

Zuletzt sei es gelungen, alle bestehenden Rückversicherungsprogramme zu erneuern; schwierig sei es aber, neue Rückversicherungen zu finden, die Rückversicherer würden sich derzeit abwartend verhalten.

„Die Kapazitäten sind da“, allerdings hätten die außergewöhnlich hohen Schäden, die in Österreich und Mitteleuropa in den letzten vier Jahren aufgetreten sind, zu deutlich höheren Rückversicherungspreisen geführt; auch wurden die Eigenbehalte der Versicherer angehoben.

Auch für eine Pflichtversicherung dürfte es Rückversicherungskapazitäten geben, glaubt Pichler. Allerdings werde dies seinen Preis haben: „Die Margen müssen im Originalgeschäft verdient werden.“ Und die Erstversicherer werden mehr Risiko tragen müssen.

Saubere versicherungstechnische Lösung

Lange Zeit sei der Hagel das Hauptproblem gewesen, betonte Reinhard Kern, Vorstandsmitglied der Österreichischen Hagelversicherung VVaG. Doch die Risikopalette sei gewachsen und alle Risiken können schlagend werden.

Ein „Public Private Partnership“-Modell wie in der Landwirtschaft schwebt Eltner vor. Seit 2002 gebe es Überlegungen zur Integration der Naturkatastrophenversicherung in die Feuerversicherung, aber „an einer bestimmten Stelle braucht es den Staat“, ist er überzeugt.

Seitens der Politik gebe es aber kein Interesse, über eine große Versicherungslösung nachzudenken. Man wolle nicht vom Modell des Katastrophenfonds abrücken, das müsse die Versicherungswirtschaft zur Kenntnis nehmen, sie sei aber zu Gesprächen bereit.

Grundsätzlich müsse eine Versicherungslösung „versicherungstechnisch sauber sein“, so Eltner. Das sei aber „nicht immer kompatibel mit den Vorstellungen der Politik“.

In der Landwirtschaft funktioniert es

Eine „andere Lösung“ gebe es im Bereich der Landwirtschaft, so Kern. Noch bis 2016 sollten hierzulande Dürre und Frühlingsfrost durch den Katastrophenfonds abgedeckt werden, doch „das hat nicht funktioniert“.

Seit der letzten großen Novelle des Hagelversicherungs-Förderungsgesetzes im Jahr 2016 besteht kein Rechtsanspruch eines Landwirtes mehr aus dem Katastrophenfonds; mittlerweile seien 80 Prozent gegen Hagel und 70 Prozent gegen Dürre versichert.

Alle Risiken seien nun aus dem Katastrophenfonds draußen, dafür gebe es eine Prämienförderung. In der Landwirtschaft funktioniere Public Private Partnership gut, sagt Kern.

Prävention allein genügt nicht

Was Prävention betrifft, sei Österreich „großartig aufgestellt“, betont Eltner. Man habe die Donau im Griff, habe viel in die Wildbachverbauung investiert, die Zusammenarbeit mit Feuerwehren und Bundesheer funktioniere gut.

Nachholbedarf gebe es aber beim „Mindset“. Es gebe viel, was der Einzelne tun kann, von einfachen Schutzbauten bis zu dichten Kellerfenstern. Und bei Flächenwidmungen und Baubewilligungen komme eine andere Denkweise erst „Zug um Zug in die Köpfe hinein“.

Probleme gebe es „natürlich“ im Bestand. Ein Wiederaufbau in einer roten Zone nach einer Katastrophe sei aber ein „falscher Anreiz“ und ökonomisch wenig sinnvoll. „Teilweise sinnvoll“ sei es aber, die Risiken zu bepreisen.

Behauptungen, Versicherer würden mit einer Pflichtversicherung nur Geld verdienen wollen, widerspricht Eltner. Nirgends auf der Welt werde mit einer Naturkatastrophendeckung Gewinn erzielt, es gehe vielmehr um gesellschaftliche Verantwortung: „Die Versicherungswirtschaft macht es sich nicht leicht.“

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Ausbildung · Berufsverband · Elementarschaden · Rückversicherung · Unwetter
 
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