14.8.2024 – In den ersten sechs Monaten gab es laut Creditreform österreichweit um rund ein Viertel mehr Unternehmensinsolvenzen als in der ersten Jahreshälfte 2023. In drei Branchen, darunter das Kredit- und Versicherungswesen, lag die Steigerung bei über 44 Prozent. Für das Gesamtjahr 2024 seien mehr als 7.200 Insolvenzen zu erwarten. Damit sei „mit einem neuen Rekord seit 15 Jahren“ zu rechnen.
Im ersten Halbjahr 2024 ist die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen in Österreich gegenüber dem ersten Halbjahr 2023 laut dem Österreichischen Verband Creditreform deutlich gestiegen.
Den endgültigen Daten des Gläubigerschutzverbandes zufolge gab es 3.363 Insolvenzverfahren (+26,4 Prozent): Die Anzahl der eröffneten Verfahren stieg um 34,6 Prozent auf 2.099; jene der mangels Vermögens abgewiesenen Insolvenzen stieg um 14,7 Prozent auf 1.264.
Die Insolvenzpassiva belaufen sich den Angaben zufolge auf rund 11,2 Milliarden Euro. 11.000 Arbeitsplätze seien betroffen.
Geprägt war das erste Halbjahr laut Creditreform vor allem von einigen Insolvenzen aus der Signa-Gruppe sowie von Insolvenzen einiger bekannter Unternehmen wie Fisker GmbH, Windhager Zentralheizung Technik GmbH und Brucha GmbH.
Die stärksten Insolvenzzuwächse gab es unter den sieben ausgewiesenen Branchen in der Sachgütererzeugung, im Kredit- und Versicherungswesen sowie in „Verkehr und Nachrichtenübermittlung“, wo jeweils ein Plus von knapp über 44 Prozent zu verzeichnen war.
Die in absoluten Zahlen meisten Fälle gab es im Handel (625), der an rückläufigem Binnenkonsum leide, im Bauwesen (598), das mit hohen Kosten und hohen Zinsen kämpfe, und bei unternehmensbezogenen Dienstleistungen (500). Zusammen ereigneten sich in diesen drei Branchen 51,2 Prozent aller Insolvenzen.
Österreichweit mussten rund 9 von 1.000 Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen. Am höchsten war die Insolvenzquote in Verkehr und Nachrichtenübermittlung (25,4) sowie Bauwesen (24,7). Das Kredit- und Versicherungswesen folgt mit 14,5 an dritter Stelle.
„Trotz des großen prozentuellen Zuwachses ist die Industrie nach wie vor im Branchenvergleich betrachtet krisenresistenter als andere“, betont Creditreform. „Die Industrie kämpft aber an mehreren Fronten gleichzeitig: Auftragsrückgänge, hohe Löhne und Energiekosten, Fachkräftemangel und bürokratische Hürden.“
Branche | H1 2024 | +/– ggü. H1 2023 | Insol-venz-quote |
---|---|---|---|
* Insolvenzquote: Anzahl der Insolvenzen je 1.000 Unternehmen. – Quelle: Creditreform. | |||
Verkehr und Nachrichtenübermittlung | 374 | +44,4 % | 25,4 |
Bauwesen | 598 | +32,6 % | 24,7 |
Kredit- und Versicherungswesen | 81 | +44,6 % | 14,5 |
Beherbergungs- u. Gaststättenwesen | 413 | +21,5 % | 9,3 |
Handel | 625 | +37,4 % | 8,1 |
Unternehmensbezogene Dienstleist. | 500 | +19,6 % | 6,7 |
Sachgütererzeugung | 146 | +44,6 % | 5,1 |
Übrige | 626 | +7,7 % | k.A. |
Gesamt – davon eröffnete Insolvenzen – davon mangels Vermögens abgewiesene Insolvenzverfahren | 3.363 2.099 1.264 | +26,4 % +34,6 % +14,7 % | 9,1 |
„Das Thema Pandemie spielt bei den Insolvenzen keine Rolle mehr“, analysiert Creditreform-Geschäftsführer Gerhard M. Weinhofer. Dafür schlage sich die „anhaltende Wirtschaftsflaute“ negativ nieder.
„Die Auftragsbücher leeren sich zunehmend, die Kosten steigen aber weiter, dazu kommen bürokratische Hürden. Die Unternehmen kämpfen an zahlreichen Fronten und verlieren immer öfters diesen Kampf“, so Weinhofer.
Laut einer Creditreform-Umfrage vom Frühjahr, durchgeführt unter 1.400 österreichischen Unternehmen, sei das Geschäftsklima der heimischen Unternehmen negativer als auf dem Höhepunkt der Pandemie, geprägt von sinkenden Erträgen und Aufträgen sowie einer geringen Investitionsbereitschaft, stellt Creditreform fest.
Die Auftragserwartungen seien „so pessimistisch wie seit 30 Jahren nicht“.
„Immer mehr Unternehmen verlieren den Kampf gegen die allgemeine Wirtschaftslage mit hohen Preisen und rückläufiger Nachfrage“, folgert Weinhofer. Die wirtschaftliche Schwäche des wichtigsten Handelspartners, Deutschland, „reißt Österreich mit hinunter“.
Dazu kämen „selbstverschuldete Probleme wie zu hohe Lohnabschlüsse, Inflation und ein Reformstau in zahlreichen Politikfeldern“, so Weinhofer. Für das Gesamtjahr 2024 rechnet er mit mehr als 7.200 Firmeninsolvenzen und damit mit einem neuen Rekord seit 15 Jahren.
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