Berufsunfähigkeit – ein schneller Weg in die Armut?

14.10.2024 – Je länger der Krankenstand anhält, desto enger wird der finanzielle Spielraum. Daraus kann ein dauerhaft erheblicher Einkommensverlust entstehen, vor allem, wenn die Berufsunfähigkeit zu Beginn der Erwerbskarriere eintritt. Für eine Absicherung fehlen vielfach das Problembewusstsein und das Wissen über Produkte. Aufklärung und Sensibilisierung sind nötig. – Von Wolfgang Fuchs-Schnetzinger.

Autor Wolfgang Fuchs-Schnetzinger (Bild: Mathias Lauringer)
Autor Wolfgang Fuchs-Schnetzinger
(Bild: Mathias Lauringer)

Das Thema Berufsunfähigkeit ist in Österreich nach wie vor nicht sehr populär und bei vielen Menschen erst dann präsent, wenn im engsten Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis jemand selbst betroffen ist.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird dann klar, dass es viele Möglichkeiten gegeben hätte, um eine gewisse Vorsorge zu treffen und zugleich zeigt sich, wie hart das staatliche System im Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit tatsächlich ist.

Der Weg in das Sozialsystem und daran anknüpfend in die Armut wird für viele Betroffene zur Realität geworden und der wöchentliche Einkauf oder gar ungeplante Ausgaben werden zur großen Herausforderung.

Vielen Menschen fehlt das Wissen, was Berufsunfähigkeit – oder anders ausgedrückt, der Verlust der eigenen Arbeitskraft genau bedeutet – und wie es dazu kommen kann.

Mit fortdauerndem Krankenstand schrumpft der finanzielle Spielraum

Für einen Großteil der Bevölkerung bildet das Erwerbseinkommen nach wie vor die wichtigste Einkommensquelle. Ob im Handel, ein Handwerk oder auch im Sozialbereich, dass erwirtschaftete Einkommen bildet den Großteil des eigenen Vermögens.

Dementsprechend umfangreich sind die Auswirkungen eines unerwarteten Verlustes der physischen oder psychischen Fähigkeiten zur Ausübung einer Erwerbsarbeit.

Eine Erkrankung oder auch ein Unfall beginnen zumeist mit einer Krankschreibung. Dauert dieser Krankenstand längere Zeit an, so zeigt dies auch den Beginn, wo der monatliche finanzielle Spielraum kleiner wird und zumeist einhergehend die Ausgaben auf Grund von Medikamenten oder auch Therapien ansteigen.

Dauernder Einkommensverlust

Mit einer Berufsunfähigkeit ist in Österreich ein dauernder Einkommensverlust für die gesamte Restlebenszeit verbunden, und dies, obwohl alle Erwerbstätigen in der öffentlichen Pensionsversicherung gegen Berufsunfähigkeit pflichtversichert sind und damit ein sogenanntes Sicherheitsnetz vorhanden wäre.

Dieses Sicherheitsnetz greift jedoch nur, wenn gewisse Voraussetzungen, wie beispielsweise Mindestbeitragszeiten, erfüllt sind.

Absicherungsbedarf im Lebensverlauf

Der größte Einkommensverlust entsteht bei Eintritt der Berufsunfähigkeit am Anfang der Erwerbskarriere. In jungen Jahren, ob in der Lehre oder auch in einer höheren Bildungseinrichtung, sind zu diesem Zeitpunkt zumeist noch wenig bis keine Versicherungszeiten vorhanden. Gerade diese Menschen brauchen eine private Absicherung, damit sie nicht in die Armut kommen.

Mit steigendem Lebensalter nimmt die Einkommenslücke auf Grund von Berufsunfähigkeit dann langsam ab, jedoch auch hier zeigen Studien massive Einkommensverluste, welche auch im höheren Alter schnell existenzbedrohend sein können.

Zu diesem späteren Zeitpunkt ist das Risiko groß, bereits erwirtschaftetes Vermögen wie ein Eigenheim oder auch Ansparungen zu verlieren und im schlimmsten Fall auf Dauer im Sozialsystem hängen zu bleiben. Der Weg in die Armut ist damit häufig vorprogrammiert.

„Irgendwas bekomme ich schon“

In Österreich sind nach wie vor nur rund vier Prozent der Erwerbstätigen mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung abgesichert und die durchschnittliche Versicherungssumme liegt zumeist deutlich unter dem erwarteten Einkommensverlust.

Parallel dazu steigen bei einer Berufsunfähigkeit oder Invalidität meist auch die Lebenserhaltungskosten durch Medikamente bzw. Therapien massiv an.

Warum das in Österreich so ist, wird meistens mit einem überschüssigen Vertrauen in das staatliche System und fehlendem Wissen über Produkte argumentiert. Sätze wie „irgendwas bekomme ich schon“ sind in der Aufklärung und Beratung allgegenwärtig und gesellschaftlich fest verankert. Hier bedarf es noch jeder Menge Aufklärung und Sensibilisierung.

In der Abwärtsspirale

Hinzu kommen vielfach weitere Einschränkungen bzw. die allgemeine Belastbarkeit nimmt durch die Erkrankung und den finanziellen Druck enorm ab.

Auch das soziale Leben wird durch die Berufsunfähigkeit mit den Faktoren von Krankheit und finanziellen Schwierigkeiten eingeschränkt. Eine Teilhabe an alltäglichen Situationen oder Dingen ist, wenn überhaupt, nur mehr eingeschränkt möglich.

Diese Mehrfachbelastung wirkt sich negativ auf die gesamte Lebenssituation von Betroffenen aus und führt zu einer Abwärtsspirale. Am Ende bleiben nur noch das Sozialsystem und ein Leben in Armut sowie eine immer wiederkehrende Existenzangst.

Mit einer privaten Absicherung könnte man dieses Szenario weitestgehend verhindern oder wenigstens finanziell abfedern. Der Weg in die Armut muss verhindert werden und ein Bewusstsein für Vorsorge bei den Menschen geweckt werden. In der Gesellschaft braucht es mehr Sensibilisierung für das Thema Berufsunfähigkeit und den Verlust der Arbeitskraft.

Wolfgang Fuchs-Schnetzinger

Der Autor ist Jurist beim Verein Chronischkrank Österreich. Zu den Zielen des Vereins gehört Bewusstseinsbildung rund um den Wert der Arbeitskraft. Der Verein bietet Vorträge und Workshops zum Thema Berufsunfähigkeit an.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Berufsunfähigkeit · Invalidität
 
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