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Alterung und Pflege: Gesundheitswesen im „Trilemma“

4.11.2024 – Eine einst überschätzte Geburtenprognose und ein unterschätzter Anstieg der Lebenserwartung bei Männern, ein zunehmender Bedarf an Gesundheitsleistungen und knapper werdendes Gesundheitspersonal, über alldem die Frage der Finanzierung: Ein Expertenforum, zu dem der Bundesrat geladen hat, hat sich mit diesen Themen befasst.

Pressekonferenz (v..l.n.r.): Monika Riedel (IHS), Regina Fuchs (Statistik Austria), Staatssekretärin Claudia Plakolm, Bundesratspräsident Franz Ebner, Franz Kolland (Kompetenzzentrum für Gerontologie und Gesundheitsforschung) und Florian Bachner (Gesundheit Österreich) (Bild: Parlamentsdirektion/Katie-Aleen Dempsey)
Pressekonferenz (v..l.n.r.): Monika Riedel (IHS), Regina Fuchs (Statistik Austria), Staatssekretärin Claudia Plakolm, Bundesratspräsident Franz Ebner, Franz Kolland (Kompetenzzentrum für Gerontologie und Gesundheitsforschung) und Florian Bachner (Gesundheit Österreich) (Bild: Parlamentsdirektion/Katie-Aleen Dempsey).

„2050 werden Menschen über 60 Jahre rund ein Drittel unserer Gesellschaft ausmachen“, sagte Bundesratspräsident Franz Ebner letzte Woche anlässlich eines im Parlament abgehaltenen Expertenforums, wie die Parlamentskorrespondenz berichtet.

Die Diskussion über die Zukunft der Pflege sieht Ebner im Spannungsfeld zwischen Finanzierung, Qualität und Absicherung stehen.

Entscheidend sei die Personalfrage: jene, die schon in der Pflege tätig sind, im Beruf zu halten, und neue Menschen dafür zu gewinnen. Neben dem Bedarf an Pflege steige auch jener an ärztlicher Versorgung, die Alterung der Gesellschaft stelle das Gesundheitswesen vor Herausforderungen.

„Wir brauchen deshalb einen Paradigmenwechsel von der Reparaturmedizin zur Vorsorgemedizin“, so Ebner. Er schlägt Vorsorgeuntersuchungen im Zweijahresrhythmus vor, die ab einem gewissen Alter mit „Anreizen, etwa finanzieller Art“ verknüpft werden sollten.

Fuchs: Demographische Entwicklung unterschätzt

Regina Fuchs, Direktorin für den Bereich Bevölkerungsstatistik bei der Statistik Austria, blickte 30 Jahre zurück: Laut den „Statistischen Nachrichten 1993“ habe man damals geglaubt, dass mehr Kinder geboren würden; die Lebenserwartungen bei Männern sei stärker gestiegen als erwartet, die Migration deutlich unterschätzt worden.

Um die Abschätzbarkeit der künftigen Entwicklung zu verbessern, erstelle man heute in Bevölkerungsprognosen mehrere Varianten. Das Hauptergebnis: „Wir wachsen weiterhin. Aber nur durch Zuwanderung. Mitte der 2060er wird die Zehn-Millionen-Marke erreicht.“

Schon 2023 lebten mehr über 65-Jährige in Österreich als unter 20-Jährige. Dieser Trend setze sich fort, womit der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpfe. Laut Fuchs sind heute sechs Prozent über 80 Jahre alt, bis 2080 laut Prognosen 13 Prozent.

Riedel: Langzeitpflege wird deutlich mehr Personal brauchen

Folge dessen sei, dass der Bedarf an Pflege scherenartig vergrößert werde, sagte Monika Riedel, Gesundheitsökonomin und Pflegesprecherin am Institut für Höhere Studien (IHS).

Unterschiedliche Prognoserechnungen ergäben einen steigenden Bedarf an Personen mit Pflegeberufen von rund 18.000 bis 2030, bis 2050 von über 70.000 Personen allein im Bereich der Langzeitpflege. „Zum Vergleich: Im Jahr 2021 waren knapp 70.000 Personen in der Langzeitpflege beschäftigt“, so Riedel.

Der überwiegende Teil der Pflege, rund 80 Prozent, werde laut Schätzungen derzeit von pflegenden Angehörigen übernommen. Doch auch dieses Potenzial werde kleiner, etwa wegen geringerer Kinderzahl, längerer Erwerbszeiten oder größerer örtlicher Distanz.

Riedel erwartet, dass die Nachfrage nach struktureller Pflege steigen wird – und damit die Ausgaben. Sie rechnet mit einem Konkurrenzkampf um Personal, was wiederum die Kosten antreiben werde. Um den Pflegebedarf möglichst gering zu halten, dürfe man die Prävention nicht vergessen.

Bachner: Gesundheitswesen im „Trilemma“

Florian Bachner, Experte für Gesundheitsökonomie, sieht das Gesundheitswesen in einem „Trilemma“. Die Alterung der Bevölkerung lasse die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen steigen; dieser Nachfrage stünden immer weniger Erwerbstätige gegenüber, das Gesundheitspersonal werde knapper.

Weniger Erwerbstätige – das bedeute eine reduzierte Finanzierungsgrundlage für das Gesundheitssystem. „Das umlagefinanzierte Sozialversicherungssystem gerät unter Finanzierungsdruck und ist zunehmend auf staatliche Zuschüsse angewiesen“, so Bachner.

Da steigende Ausgaben einer kleiner werdenden Finanzierungsgrundlage gegenüberstünden, sei eine Erhöhung der Erwerbsquote nötig, ebenso Migration durch ein gezieltes „Hereinholen“ von Gesundheitsfachkräften.

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Gesundheitsreform · Sozialversicherung
 
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