Rechtsschutz: Streit um Vorvertraglichkeit landet beim OGH

31.3.2025 – Eine GmbH wollte für ein Verfahren gegen einen ehemaligen Mitarbeiter Deckung aus dem Arbeitsgerichtsrechtsschutz. Der Versicherer lehnte jedoch ab. Die Gerichte entschieden zu Gunsten des Versicherers. Es gehe hier um einen Dauerverstoß, der bereits vor Geltungsbeginn des Rechtsschutzes begonnen habe.

Justitia (Bild: Tingey Injury Law Firm)
Bild: Tingey Injury Law Firm

Im Juli 2022 schickte der Klagevertreter der E. GmbH – sie war auf Basis der ARB 2005 (siehe Kasten) bei der M. GmbH mitversichert – ein Schreiben an den Rechtsschutzversicherer. Darin wurde der Versicherer um eine Deckungszusage für ein Verfahren gegen einen ehemaligen Mitarbeiter ersucht.

Am 22. Dezember 2022 übermittelte der Klagevertreter dem Versicherer den Entwurf einer Klage und ersuchte um deren Genehmigung. Einen Tag später brachte er die Klage gegen den Mitarbeiter ein, ohne die Antwort des Versicherers abgewartet zu haben.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2022 antwortete der Versicherer dem Klagevertreter: Es bestehe kein Versicherungsschutz, denn der Versicherungsfall sei gemäß der Klageerzählung bereits im April 2019 eingetreten. Die Deckung aus dem Baustein Arbeitsgerichtsrechtsschutz bestand erst ab 4. Dezember 2019.

Aus den ARB 2005

Artikel 2

Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?

[…]

3. In den übrigen Fällen gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtsvorschriften zu verstoßen.

Bei mehreren Verstößen ist der erste, adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei Verstöße, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn zurückliegen, für die Feststellung des Versicherungsfalles außer Betracht bleiben. […]

Artikel 3

Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung? (Zeitlicher Geltungsbereich)

1. Die Versicherung erstreckt sich auf Versicherungsfälle, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrags eintreten.

2. Löst eine Willenserklärung oder Rechtshandlung des Versicherungsnehmers, des Gegners oder eines Dritten, die vor Versicherungsbeginn vorgenommen wurde, den Versicherungsfall gemäß Art 2.3 aus, besteht kein Versicherungsschutz.

Willenserklärungen oder Rechtshandlungen, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn vorgenommen wurden, bleiben dabei außer Betracht.

[…]

Gerichte sehen Vorvertraglichkeit

Die M. GmbH, inzwischen Rechtsnachfolgerin der E. GmbH, klagte den Versicherer. Das Erstgericht befand jedoch, es liege ein bereits im April 2019 begonnener Dauerverstoß vor. Da erst seit 4. Dezember 2019 Deckung bestehe, liege Vorvertraglichkeit vor.

Das Berufungsgericht sah das auch so. Schließlich fing die GmbH mittels außerordentlicher Revision zum Obersten Gerichtshof (OGH).

In der Sache warf die GmbH zwei voneinander zu trennende Verstöße vor: einen bezüglich „Lademittel-Altschulden“ und einen bezüglich der Lademittelgebarung. Letzterer habe erst im Mai 2020 begonnen, sodass diesbezüglich Versicherungsschutz bestehe.

OGH teilt Ansicht des Berufungsgerichts

Der OGH hielt fest: Die GmbH habe ihren Anspruch im Ausgangsverfahren – für das sie Rechtsschutz begehrt – mit einer Verletzung von Aufsichts- und Kontrollpflichten des Mitarbeiters argumentiert und laste ihm fehlende Nachvollziehbarkeit der Lademittelverwaltung an.

Dieses Verhalten werfe sie ihm aber nicht erst ab einem bestimmten Zeitpunkt vor, sondern von Beginn des Dienstverhältnisses im April 2019 an. Angesichts dessen hatte der OGH am Befund des Berufungsgerichts nichts auszusetzen, das mehrere als Einheit zu wertende Verstöße hinsichtlich der Lademittelgebarung angenommen habe, deren Beginn vor dem Deckungszeitraum liege.

Nur, weil bis Mai 2020 möglicherweise ein Lademittelguthaben bestanden habe, „ändert dies nichts daran, dass der Mitarbeiter […] von Beginn des Dienstverhältnisses an gegen seine Dienstpflichten verstoßen hat“, so der OGH. „Schon damit begann sich somit die vom Rechtsschutzversicherer in Bezug auf die von der Klägerin konkret übernommene Gefahr durch den Dauerverstoß zu verwirklichen.“

Der OGH entschied deshalb, die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob207/24b vom 19. Februar 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Arbeitsrecht · Mitarbeiter · Rechtsschutz
 
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